Ein Schiff in der Klemme, und schon verfällt der Welthandel in Nervosität
Der Vorfall mit dem gestrandeten Frachter im Suez-Kanal zeigte die Fragilität von globalen Lieferketten und die Risiken der Just-in-time-Produktion exemplarisch auf. Lehren daraus? Sind nur schwer zu ziehen.
Ein Kanal zwischen Kontinenten, das ist gewissermassen die Mutter aller Abkürzungen: Rund 7’000 km, rund eine Woche und ganz viel Treibstoff spart, wer durch den Suezkanal statt ums Kap der Guten Hoffnung fährt. Wenn dann dieser Wasserweg durch einen auf Grund gelaufenen Frachter während beinahe einer Woche unterbrochen ist, hält dies die Logistik-Ketten dieser Welt unter Hochspannung. Der Segen globalisierter Arbeitsteilung und ausgefeilter Just-in-time-Anlieferung wird zum Fluch. Die Planbarkeit, in Pandemie-Zeiten sowieso mehr Wunsch als Wirklichkeit, bröckelt zusätzlich.
Bis zur Befreiung des Evergreen-Frachters stauten sich beidseits des Kanals gegen 450 Schiffe. Niemand weiss im Detail, welchen Anteil der blockierten Fracht Industriegüter betraf und welche Produktionen im Einzelnen unter Verspätungen leiden würden. Das Fachmagazin «auto, motor & sport» suchte bei den deutschen Automobilherstellern Antworten und zeichnete ein uneinheitliches Bild.
Folgen für Autoindustrie: Nicht alle im selben Boot
Bei BMW beispielsweise zeigte man sich zuversichtlich. Eine Sprecherin sagte, man habe tägliche Updates rund um die Produktion, der Suezkanal sei dabei bislang aber kein Thema gewesen. Auch bei Mercedes zeigte man sich gelassen: «Wir beobachten und evaluieren die Situation kontinuierlich in enger Abstimmung mit unseren Transportdienstleistern. Aktuell läuft die Produktion wie geplant.» Die Audi-Verantwortlichen blickten da schon deutlich gespannter Richtung Osten. «Uns betrifft die Blockade sowohl in Sachen Material- als auch Fahrzeugtransport», bestätigt ein Audi-Sprecher, ohne gleich mögliche Folgen zu beschreiben.
Klar zeigten sich die Folgen am Ölmarkt. Die Preise stiegen spürbar. Schliesslich nutzen nebst Containerschiffen zahlreiche Öltanker die Route durch den 193 km langen Kanal.
Seit Montagnachmittag ist die Route wieder frei, doch die nächsten Engpässe zeichnen sich bereits ab. Die werden nun, mit wenigen Tagen Verzögerung, in den Atlantik- und Mittelmeerhäfen erwartet. Und natürlich wird auch die anschliessende Lieferkette mit Bahn- und Strassentransport für den schnellen Abtransport zusätzlich gefordert.
Frachter-Staus vor den grossen Häfen?
«Wir stehen vor anstrengenden Tagen», sagte Luigi Bruzzone, Direktionsmitglied der Hafenentwicklung, gegenüber der Agentur Ansa. Er rechne damit, dass in vierzehn Tagen die Menge Güter bewältigt werden müsse wie üblicherweise in einem Monat.
Weiter nördlich, in Europas wichtigstem Hafen Rotterdam, krempelt man schon mal die Ärmel hoch. Die Deutsche Verkehrs Zeitung (DVZ) zitiert den Sprecher des Hafens, Leon Willems. Die Kapazität werde zweifellos unter Druck kommen. Man könne die Infrastruktur nicht beliebig erweitern. «Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben an Kais, Kränen und Terminals.» Etwa 60 Schiffe, die bisher wegen der Havarie der Ever Given im Suezkanal festlagen, seien nun unterwegs nach Rotterdam, sagte der Sprecher. Zusätzlich laufe der normale Verkehr weiter. An durchschnittlichen Tagen laufen den Angaben zufolge etwa 80 Seeschiffe den Hafen von Rotterdam an. Willems machte keine Angaben zum Zeitpunkt des erwarteten Ansturms. Der Hafensprecher verglich die Lage mit einem Stau auf einer französischen Autobahn. «Wenn der aufgelöst ist, dann rollt der Verkehr wieder. Aber bei den Maut-Stationen sitzt wieder alles fest.» Ein Unsicherheitsfaktor sei, in welcher Zeit die Schiffe ent- und wieder beladen werden können. Der Hafen sei nun im Gespräch mit Unternehmen der gesamten Logistikkette, um einen möglichst schnellen und reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, so die DVZ.
Die für den Welthandel so wichtige Verbindung zwischen dem Indischen Ozean und dem Nordatlantik war übrigens in seiner 152-jährigen Geschichte schon deutlich länger unpassierbar. Am längsten dauerte der Unterbruch als Folge des Sechstagekriegs zwischen Israel und Ägypten, von 1967 bis 1975.
Quellen: https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/mv-ever-given-suezkanal-blockiert-lieferprobleme-automobil-industrie/ sowie https://www.dvz.de/rubriken/see/detail/news/suezkanal-update-blockade-koennte-welthandel-bis-zu-10-milliarden-euro-pro-woche-kosten.html
Kommentare
Wegen dessen soll alles wieder nachhaltig werden🙁
So wurde uns wieder einmal bewusst, wie abhängig wir sind ... Ein einziges Schiff blockiert den Kanal und dann?? Die Börse reagiert ... Der Ölpreis steigt ... Und das schlimmste: der ganze China scheiss (alibaba) kommt nicht rechtzeitig zum kunden..😁😭😁